Texte
Feld-Zeichen – Materialbilder
von Franz Leinfelder
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Franz Leinfelder gehört zu jenen Künstlern, in denen ein gestalterisches Naturtalent so lange rumort, bis die ästhetische Begabung den Brotberuf ein- oder überholt. Ein waches bildnerisches Denken und Empfinden, dessen Grundlagen er sicher zum Teil seinem Vater verdankt, stimuliert in ihm eine starke schöpferische Unruhe, die ständig zur Äußerung drängt. Kunst ist ihm weder Pausen- noch Freizeitbeschäftigung, weder Fingerübung noch Ablenkung, sie ist zentral und wird für ihn immer existentieller.
Weder das Rationale noch das Emotionale üben eine Vorherrschaft aus, vielmehr sind es die vom Material ausgehenden formalen Impulse, sind es latente Entwürfe für Kompositionen und sind es die vielen spontanen Einfälle, die seine Kunst prägen und als autonom charakterisieren. Reliefcollagen gibt es schon seit Jean Arp und Kurt Schwitters, doch fern aller Überlieferung hat Franz Leinfelder einen ganz eigenständigen Weg gefunden und eine individuelle Formensprache entwickelt. Er ist ein Sammler, ein Sucher und Finder, der mit einem aufmerksamen Blick für das einfache und das besondetionre Material, für die stringente und die ausgefallene Form, für die Umsetzung von Bildideen und figuralen Einfällen unterwegs ist. So füllen die objets trouvées, die Fundstücke aus Natur, Werkstätten und Schrotthalden sein Arsenal, warten auf den zündenden Moment für eine neue Komposition.
Er hat Vorlieben für Eisen und Holz, aber er sammelt nicht gezielt oder einseitig, sondern vertraut der stimulierenden Kraft aller möglichen Gegenstände, Formen und Farben. Franz Leinfelder ist auch ein Beobachter der Welt, von Natur und Technik, von Zuständen und
Bewegung, von Strukturen und Atmosphäre. Gesehenes und Erfundenes verbinden sich in seinen Werken zu einer neuen konkreten Realität, die abseits jeder Abbildung von Wirklichkeit eine neue Welt schafft. Diese lässt uns erinnern und ahnen, sie weckt Assoziationen mal mit ihren gleichsam fließenden kleinteiligen Materialien, mal mit ihren ruhig stehenden größeren Flächen. Dabei ist das Ganze immer handfest, denn Franz Leinfelder ist auch ein Techniker, ein Konstrukteur. Seine Werke sind keine gebrechlichen Leichtgewichte, sondern sicher
gebaute und mitunter konstruktivistisch angelegte Gebilde. Der Künstler beherrscht seine Handwerke von der Skulptur bis zur Grafik, er realisiert seine Werkideen in Reliefcollagen, Stahlskulpturen oder ausgefallenen plastischen Kombinationen ebenso gut wie in der zweidimensionalen Malerei und Grafik.
Dabei erliegt er nicht den Gefahren eines dekorativen Quodlibets, sondern überrascht mit immer neuen kraftvollen Formulierungen, die manchmal die stille und dann wieder die dynamische Gestalt betonen. Der vielseitig begabte Künstler ordnet mit Flächen und Linien, mit Verläufen und Konzentrationen, mit Farben und Strukturen das scheinbare Chaos unterschiedlich gearteter Materialien zu Flüssen und Flächen, zu Höhen und Tiefen. Er lässt sie leuchten oder verdunkelt sie, er betont die gewachsene Oberfläche oder verändert sie, er arbeitet materialgerecht oder verfremdet. Die Spannbreite seiner Vokabeln und ihrer Syntax belegt: Franz Leinfelder ist auch ein Poet. Er arbeitet immer wieder an der Schwelle zwischen Realität und Abstraktion, seine Werke sind lesbar und buchstabierbar, zugleich gehorchen sie aber abstrahierenden bis konstruktivistischen Gestaltungsideen.
Vertikal gebaute Collagen stehen neben eher geschwungenen, linear organisierten Materialläufen, deutlich dreidimensional, auf Raum und Volumen hin orientierte Arbeiten wechseln mit eigenwilligen Objekten aus Glas und Sackleinen ab.
In seinem bisherigen Schaffen stehen Schalk und Ernst sich ebenso gegenüber wie Spiritualität und Materialität, sie alle bilden keine Gegensätze, sondern sind eher Entsprechungen. Seine Materialien verdanken ihre Form der Natur oder menschlicher Arbeitskraft, sie transportieren stets ein Stück Geschichte und verbinden sich mit der Tradition.
Ihre künstlerische Ordnung, besser gesagt: Assemblage verdankt sich dem kreativen Moment und der künstlerischen Maxime von Franz Leinfelder, also der ständigen Innovation.
Die Werke dieses Künstlers ziehen die Blicke auf sich, konzentrieren sie zur genaueren Betrachtung, lassen die Betrachter nach den technischen Konditionen suchen und lassen sie damit sehr direkt an ihrem Gestaltungsprozess und an ihrer Erscheinung teil haben. Zu ihrem besonderen Reiz gehört es, dass sie trotz bekannter Materialien und oft auch der erkennbaren Technik etwas Geheimnisvolles bewahren. Insbesondere auch davon lebt seine Kunst.
Prof. Frank Günter Zehnder
Pravu Mazumdar
München
Text anlässlich der Ausstellung
"Gesichter" im gleichnamigen Katalog 2009
Von Masken und Gesichtern.
Anmerkungen zu Franz Leinfelders „Gesichter-Zyklus“
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Der Herr, dessen Orakel zu Delphi ist,
spricht nicht aus und verbirgt nicht,
sondern gibt ein Zeichen. (Heraklit)
Franz Leinfelders Gesichter evozieren das Bild der Wiederkehr der
Masken, allerdings in der Weise der Verkehrung des Zwecks ihrer
archaischen Bewegung. Man denkt an einen Schwarm fallender Masken,
die auf die Erde aufschlagen und zerspringen. Ein Nebel aus Scherben
steigt aus der Erde in die Luft und nähert sich wieder jenem Himmel,
in dem sich eins die Masken von den Gesichtern der Götter gelöst
haben. Doch ehe die Nähe der Götter die Scherben erneut zu
Gesichts-Bildern fügen kann, wird die Bewegung eingefroren.
Die Bruchstücke zögern einen Augenblick lang und ergeben das
Zwischenbild einer Collage, die ein Doppeltes sichtbar macht:
ihre Herkunft als Fund- und Bruchstücke; und ihre Zukunft als wieder
hergestellte Gesichter.
Leinfelders Gesichter-Zyklus erscheint als ein eingefrorener Augenblick
der mythischen Bewegung von Masken zwischen Himmel und Erde.
Masken sind so etwas wie platonische Apparate. In dem sie ein
Gesicht mit einem Bild überziehen, erzeugen sie eine Dualität aus
unsichtbaren Wesen und sichtbarer Erscheinung. Damit schaffen sie
den Effekt eines verborgenen Wesens, das mit der Souveränität
eines Königs oder der Transzendenz eines Gottes ausgestattet sein
kann. Aller königlicher Prunk, alle bürgerlichen Vorhänge generieren
einen mit Anziehungskraft aufgeladenen unsichtbaren Wesenshintergrund.
doch vermögen Masken solchen Effekt nur anhand ihrer eigenen Sichtbarkeit
zu zeitigen. Denn sie sind ihrerseits so etwas wie sichtbare und tragbare
Gesichter. Ein maskiertes Individuum trägt – anstelle verstreuter Ornamente
als Insignien archaischer Macht – ein idealisiertes Gesicht, das als ein
einziges Ornament funktioniert.
Das Masken verbergen, ist also nur die eine Seite der Macht.
Die andere Seite ist, dass sie Gesichter verleihen, die, wie jeder archaische
Schmuck, auch dämonische Eigenschaften übertragen können.
So vervielfältigt eine Maske das Gesicht, in dem es ein anderes, weiteres
Gesicht zum Vorschein bringt und damit die bloße Erfahrung des Gesichts
steigert. Was sie aber dabei unangetastet lässt, ist das Prinzip Gesicht,
verstanden im antiken Sinne als das Tor zur Seele. Es ist als würden die
Masken vom Himmel herab flattern: als göttlich-ideale Bilder des
Seelischen.
Leinfelders Gesichter-Zyklus kehrt nun diese archaische Bewegung um.
Ursprung der Gesichter ist nicht der Götterhimmel der Masken, sondern der
Erde des Menschen und menschlicher Artefakte. Werden diese nun als
Fundstücke aus der Erde geborgen, so geraten sie in den Sog der Gesicht-
werdung, dessen jähe Bremsung genau das offenbart, was das Gesicht,
jedes Gesicht wirklich ist: eine Collage oder Konstruktion des Seelischen,
aber nicht aus Nase, Augen, Brauen, Kiefer, Mund, sondern aus Pinsel,
Spaten, Röhre, Wasserhahn, Sonnenbrille. Lauter Artefakte, die
einander näher gebracht werden, bis sie erkennbare Gesichts-Bilder ergeben:
als Kristallisationen seelischer Zustände und als Bausteine wirklicher Gesichter
die unter Titeln wie „Medea“, „Lost in Complexion“, „Fatima unveiled“, „Othello“
physiognomische Archetypen darstellen und maskenartiges inszenieren.
Somit dokumentiert Leinfelders Gesichter-Zyklus den Unterschied zwischen
Masken und Gesichtern und offenbart ihren archaischen Kreislauf aus Fall,
Aufprall, Zerspringen, Aufstieg und erneuter Sammlung zu Gesichtern,
Leinfelders „Gesichter“ sind gleichsam Stationen einer Denkbewegung,
die den Prozess der Säkularisierung von Masken nachzeichnet und den
mythisch-theologischen Abstieg von Masken in einen anthropologischen
Aufstieg zu „Gesichtern“ wendet.
Pravu Mazumdar
Franz Josef van der Grinten
Bedburg-Hau
Text zu Katalog
“Materialbilder von Franz Leinfelder” 2005
Dasein bezeugt sich in überdauernder Anwesenheit
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Alle Dinge, die man findet, strahlen aus, nicht nachweislich, nicht prüfend wahrnehmbar, aber anrührend den, der ihnen unwillentlich geöffnet ist. Es setzt bei ihm einen gelassenen Blick voraus, einen Blick ohne Vorgefasstheiten, einen, der bereit ist für derart unwägbare Botschaften. Es mag der Blick eines Bauern sein, der auf das Erdreich gerichtet ist, das er mit seiner jährlich wiederholten und darin stets neuen Bearbeitung verändert, nach archaischen Gesetzen, denen, die das Richtige zum Ergebnis haben. Auch Fruchtbarkeit manifestiert sich durch Formen, die sie durchwest. Es mag aber auch, wie bei Franz Leinfelder, der Blick des Landvermessers sein, der der Masse, die sich vor ihm ausbreitet, durch das gerechte Maß auch die rechten Proportionen gibt. In seinem Fall akkumuliert sich die in sich ruhende Empfindlichkeit. Als Sohn eines Bauern hat er das Land auch in bäuerlicher Bearbeitung aus Eigenem erfahren. Und der Bauer, der sein Vater war, war zugleich ein fruchtbarer Maler, dem das Kunststudium so sehr die Maßstäbe für sein Tun bereitet hatte, dass er neben der bäuerlichen Arbeit die des Künstlers unbeirrt und ungebrochen zu leisten imstande war. Die notwendigen Dinge: Kandinsky sprach hinsichtlich der künstlerischen Rechtfertigung von der inneren Notwendigkeit. Nur dem Unkundigen mögen die Bedingungen der Arbeit auf dem Felde vage erscheinen, man bewegt sich innerhalb ungeschriebener Gesetze; dem Feldmesser sind sie für seine Sicht klar vorgegeben. Wenn er, wie hier, in einem Künstler sich ins Spiel bringt, so, wie beim Bauern, durch ein Gefühl für Ordnung, Zuordnung, Verhältnismäßigkeit, Proportion, nachbarschaftlicher Anrainung, das so intuitiv wie rechnerisch die Ausgewogenheit erspürt. Jedes Bildwerk, das derart entsteht, ist eine Setzung. Sei sie ins Große gespannt oder erfülle sie sich im Kleinen, sie hat den Anspruch, gültig zu sein.
Die Offenheit für den Impuls, in dem die Materialien ihre Wahl bestimmen, und das unbeirrbare Gespür für Maß und Ordnung während des Entstehungsprozesses sind die Vorgaben der Bildwerke von Franz Leinfelder. Holz, Metall, Glas, Textilstücke, die Funde finden zueinander und bilden schließlich einen reliefierten Körper, der, wie es bei jedem komplexen Organismus der Fall ist, die Einzelkräfte aufeinander abstimmt und zugleich summiert zu einer Wesenheit, der sie organisch-natürlich anzugehören scheinen: die ganze Kraft aus dem Zusammenspiel der einzelnen Kräfte. Sie sind nicht eigentlich dramatisch, sie ruhen in sich vermöge der Schwere, die ihnen in jedem ihrer Teile anhaftet; anstatt divergent sind sie gesammelt in dem Sinne, dass, wer in sich gesammelt ist, in sich ruht. Keine Wirbel, nichts Transitorisches, sondern eine Gegenwärtigkeit im Verharren. Man könnte es, im besten, umfassendsten, ins Geistige übertragenen Sinne, Feldarbeit nennen. Da bietet sich denn, jenseits aller Trendbewegungen, der Begriff der Zeitlosigkeit an. Franz Leinfelders Bildwerke sind nicht erzählerisch, das Anekdotische ist so gut wie nie im Spiel. Sie sind einfach da, so wie sie und der Künstler sich in ihre jeweilige Ordnung gefunden haben, und in dem Bewußtsein, dass Dasein sich bezeugt in überdauernder Anwesenheit. Man möchte meinen, sie sind, weil sie waren und wurden, und, kein Zweifel, sie werden sein vermöge der ihnen immanenten Lebenskraft. Es tut gut, in ihrer Anwesenheit behaust zu sein.
Franz Joseph van der Grinten
Mala / Lanzarote, den 4. Juli 2005
Dr. Fritz Jacobi
Berlin
Eröffnungsrede zur Ausstellung:
FRANZ LEINFELDER RELIEFCOLLAGEN
in der Galerie Remise DEGEWO
am 8. Juni 2010 in Berlin
FRANZ LEINFELDER RELIEFCOLLAGEN
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Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Als ich am Sonntagmittag diese Ausstellungsräume betrat, vermittelte sich mir zunächst ein fast sakraler Eindruck, was nicht mit dem Zeitpunkt des Besuches zusammenhing. Die streng geformten Gestaltungsverdichtungen von Franz Leinfelder entfachten in ihrer komprimierten Schwere wie von selbst so etwas wie die Aufforderung zum kurzzeitigen Innehalten, um diesen bildnerischen Anstößen eine eigene Gefühlsenergie entgegensetzen zu können. In solchen Vorgängen sind Wertigkeiten enthalten, die mit übergreifenden, aus der sichtbaren Realität herausgelösten Wirkungen zu tun haben und uns als stimmungsgebundene Kraft unvermittelt erfassen können. Das lässt sich als sakral, meditativ oder einfach nur als suggestiv bezeichnen – in jedem Fall wird in uns etwas wachgerufen, was eine eigenartige innere Spannung auf den Plan holt. Eine schwer zu beschreibende emotionale Größe mithin, der man sich öffnen oder verweigern kann, die aber jeden von uns tangiert.
Doch die Assemblagen und Skulpturen des 1941 in Solingen geborenen Franz Leinfelder, der schon im Elternhaus erste künstlerische Anregungen erhielt – sein Vater war Landwirt und Kunstmaler – offenbaren in ihrer Struktur zugleich so etwas wie ein wirklich greifbares Gegenmoment, das die anfangs geschilderte Wirkung nicht unterläuft, sondern sogar tragfähiger erscheinen lässt. Denn der seit 45 Jahren als selbstständiger Vermessungsingenieur und Künstler arbeitende Leinfelder fügt seine emblematischen Gestaltungen weitgehend aus Fundstücken zusammen, die in ihrer realen Herkunft meist noch erkennbar bleiben und damit deutlich auf die wunderbare Macht des Spielerischen verweisen. Dieses Gleichsam absichtslose Finden und Neugruppieren aufgesammelter Gegenstandsrelikte, das seit dem Dadaismus, seit Kurt Schwitters und Max Ernst zur legitimen Größe in der Kunst avancierte, bildet gewissermaßen die grundlegende künstlerische Gestaltungsebene des in Langenfeld bei Köln tätigen Monteurs.
In der Verwandlung von Restbeständen aus den handwerklichen, technischen oder auch aus natürlichen Bereichen in freie Materialkompositionen besteht für ihn die eigentliche kreative Intention. Und so werden wir bei der Betrachtung seiner Arbeiten immer wieder an das Strandgut des Alltäglichen erinnert, das sich hier auf überraschende Weise zu neuen Gefügen zusammenschließt und seine spezifische, zeichenhafte Ausdruckskraft entwickelt. Die Teilelemente – meist bearbeitete Hölzer verschiedner Prägung – erscheinen uns vertraut und doch bewirkt die neuformierte Konstellation eine unvermutete Entrückung des Gewohnten in die Distanz einer eigenen Kunstsphäre.
Dieses Wechselspiel bleibt während der Beschäftigung mit den Werken permanent erhalten, lässt diese Grenzüberschreitung stets neu erleben und versinnlicht damit zugleich dieses ständige Kippen von Nähe und Ferne und umgekehrt, was die Relativität unserer Wahrnehmung deutlich aufzeigt. Auch das Spielerische übrigens lässt sich ähnlich wie das Sakrale oder Suggestive als eine Wertigkeit bezeichnen, die übergreifend auch nicht ohne weiteres definierbar die unterschiedlichsten Möglichkeiten des Umgangs mit Realität phantasievoll auslotet und daraus neue Gestaltfindungen gewinnt. Die Kunst – aber nicht nur sie – lebt in besonderem Maße von dieser Imagination, nicht dagewesenen Vorstellungen tatsächliche Existenz zu verleihen.
Wie nun lässt sich diese Relief- und Körperwelt von Franz Leinfelder charakterisieren?
Ich sprach anfangs von den streng geformten Gestaltungsverdichtungen, die der Künstler zur Anschauung bringt. Er erreicht diese verknappte Wirkung, indem er mit wenigen Grundelementen meist gegenläufige Richtungen markiert. Diese Hauptakzente werden oft zu Kreuzformen verschrankt, stoßen wiederholt mit der dynamischen Diagonale in den Bildraum vor oder auch darüber hinaus oder rhythmisieren in taktartigen Reihungen die Fläche in Gänze bzw. in Teilpartien. Leinfelder ist ein Mann der Stückung – die meist unbearbeiteten, zuweilen farbig gefassten Elemente rücken dicht zusammen, geben sich gegenseitig Halt und lassen so eine neue Gestaltformation entstehen, die trotz der technischen Herkunft ein fast organisch wirkendes Zeichengebilde schafft. Ballungen wechseln mit offenen Flächenzonen, fragmentierte Formen stehen geometrischen Ausprägungen gegenüber und alles weitet sich zu einer Art Aufriß, der an Luftaufnahmen von der Erdoberfläche erinnert.
In einem 2002 geschriebenen Beitrag für Franz Leinfelder habe ich seine Arbeiten als „Feld
– Zeichen“ charakterisiert, deren Gründe in der Ebene angesiedelt zu sein scheinen und damit eine räumlich unmessbare Dimension einbringen. Aber ebenso könnte man auch von „Wand
– Zeichen“ sprechen, die die vertikale Abschirmung ein Stück weit zurücktreten lassen und freie Assoziationen heraufspülen. Der Grundimpetus seiner Kunst liegt in der Entgegensetzung von zwei konträren Tendenzen: Auf der einen Seite spüren wir die ganz starke, beinahe ornamentale Einbindung der ausflüchtenden Kräfte, andererseits aber bemerken wir die weite Öffnung des Anschauungsfeldes ins Unbegrenzte hinein. Dieser Konflikt lädt die letztlich sehr einfach anmutenden Werke von Franz Leinfelder mit einer eigenen elementaren Spannung auf, die in bewegter Form das „Sakrale“ mit dem Spielerischen verschwistert.
Die Beschäftigung mit den Arbeiten von Franz Leinfelder aber wäre unvollständig, wenn nicht ein wesentliches, hintergründiges Moment seiner Gestaltungsweise genannt würde – der Humor. Es gibt bei ihm einige Figurationen, die ganz von diesem verschmitzten Lächeln getragen werden – wie etwa der vor uns sitzende „Haans“, der an Karikaturen und Comics denken lässt. Aber auch in der jüngst entstandenen Serie der „Masken“, die ihrerseits auf archaische Bezüge in seinem Schaffen verweisen, bleibt diese erstaunte Identifizierung der „Gesichtigkeiten“ von einem Wiedererkennungseffekt begleitet, der Spiel und Ernst gemeinsam in eine verfremdete Synthese hineinfließen lässt. War schon in den Assemblagen und Skulpturen der Reiz der Verwandlung ein mitbeteiligtes Moment, so prägt in diesen skurrilen Masken jene Zweideutigkeit vollends die groteske Wirkung. Geisterwelten scheine mit eigener Magie in unser rationalisiertes Seinsverhältnis hineinzudrängen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich schließen mit einem Zitat des indischen, in München lebenden Philosophen Pravu Mazumdar, der im vorigen Jahr Leinfelders Masken sehr gut deutete und dabei auch etwas berührte, was den Arbeiten des Künstlers generell eigen ist: „Leinfelders Gesichter-Zyklus kehrt nun diese archaische Bewegung um. Ursprung der Gesichter ist nicht der Götterhimmel der Masken, sondern die Erde des Menschen und menschliche Artefakte. Werden diese nun als Fundstücke aus der Erde geborgen, so geraten sie in einen Sog der Gesichtwerdung, dessen jähe Bremsung genau das offenbart, was das Gesicht, jedes Gesicht wirklich ist: eine Collage oder Konstruktion des Seelischen, aber nicht aus Nase, Augen, Brauen, Kiefer, Mund, sondern aus Pinsel, Spaten, Röhre, Wasserhahn, Sonnenbrille, Hufeisen. Lauter Artefakte, die einander näher gebracht werden, bis sie erkennbare Gesichts – Bilder ergeben, als Kristallisationen seelischer Zustände und als Bausteine wirklicher Gesichter …“
Schönen Dank!
Dr. Fritz Jacobi, Kunsthistoriker, Berlin.